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Compliance in China

Geschrieben von Admin | 27.10.22 11:35

Die Compliance-Anforderungen für Unternehmen sind in den letzten Jahren in der Volksrepublik China signifikant gestiegen. Insbesondere ausländisch-investierte Unternehmen und deren Muttergesellschaften im Ausland stehen vermehrt vor der Herausforderung, die Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen sowie interner Unternehmenskodizes sicherzustellen. Das staatliche Sozialpunktesystem, das Unternehmen wie Mitarbeitende betrifft, wie auch die häufige Überarbeitung schon bestehender Gesetze, erschweren es der Geschäftsführung zusehends, einen detaillierten und vollumfänglichen Überblick über die aktuell für ihr Unternehmen geltenden Rechte und Pflichten zu behalten. Damit steigt nicht nur das Risiko für Unternehmen, von Sanktionen und Strafen betroffen zu sein, sondern auch für die handelnden Personen, die bei Verstößen gegen Compliance-Anforderungen persönlich haftbar gemacht werden können. Wie ist mit diesen Herausforderungen umzugehen, und wie können digitale Compliance Lösungen den notwendigen Überblick verschaffen?

 

Compliance – Begriff und historische Entwicklung

Vereinfacht ausgedrückt beschreibt der Begriff ,,Compliance‘‘ die Einhaltung von geltenden Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, und freiwilligen Kodizes sowie organisatorische, regulatorische und technische Maßnahmen zur Vorbeugung von Rechtsverstößen im Unternehmen.

Compliance hat seinen Ursprung im angloamerikanischen Rechtsraum, wo Unternehmen seit den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts auf Basis der sog. „regulierten Selbstregulierung“ aufgefordert wurden, Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverstößen im eigenen Betrieb zu ergreifen.

In der deutschen Rechtsordnung ist der Begriff Compliance bislang gesetzlich nicht definiert. Eine Definition lässt sich jedoch dem freiwillig einzuhaltenden Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) von 2002 entnehmen.

Allgemeine Compliance-bezogene Pflichten ergeben sich aus dem Gesellschaftsrecht sowie den Vorschriften des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, auf Basis derer die Geschäftsführung im Rahmen ihrer gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichten für Gesetzesverstöße zur Verantwortung gezogen werden kann.

Das deutsche  Gesellschaftsrecht verankert das Prinzip  des unternehmerischen Ermessens (Business Judgement Rule), nach dem die Geschäftsführung aufgrund fehlerhafter Entscheidung nicht persönlich zur Haftung herangezogen werden kann, soweit diese kein eigenes relevantes Interesse an der getroffenen Entscheidung hat, sich vor der Entscheidung hinreichend informiert hat und nachvollziehbar nach deren Überzeugung im besten Interesse des Unternehmens gehandelt hat. Dieses Prinzip gilt jedoch nur dann, soweit das Recht keine branchenspezifischen Regelungen zur Risikoprävention, wie z.B. im Bereich Arbeitsschutz, Datenschutz, Produktsicherheit vorsieht.

 

Compliance in China

 

Quelle: https://npcobserver.com/2021/12/31/year-in-review-the-npc-and-the-observer-in-2021/

Im Vergleich zu den vorstehend beschriebenen Entwicklungen in den westlichen Ländern ist das Thema Compliance vergleichsweise spät in China angekommen. Misst man den Stellenwert von Compliance u.a. an der Anzahl, der neu erlassenen und überarbeiteten Gesetzen, so kann man der nachstehenden Übersicht leicht entnehmen, dass die Bedeutung von Compliance in den vergangenen 8 Jahren in China stark zugenommen hat: von 2013 bis 2021 haben sich die gesetzgeberischen Aktivitäten versechsfacht!

Zudem hat die chinesische Regierung „Compliance“ als nützliches Werkzeug gegen Vetternwirtschaft und Korruption in Wirtschaft und Politik erkannt. Seitdem können auch die berühmten Netzwerke (关系 „Guan Xi“), bestehend auch aus Verbindungen zu anderen Unternehmen, zu Behörden und gesellschaftlichen Vertretern, nicht mehr jedes Problem lösen oder Vorteile verschaffen. Die umfangreiche Anti-Korruptionskampagne von Xi Jinping, die zunächst Beamte ins Visier genommen hat, hat diese Entwicklung verstärkt. Öffentliche Vertreter sind vorsichtig geworden und halten sich streng an die rechtlichen Rahmenbedingungen und weigern sich sogar von dem ihnen gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum Gebrauch zu machen. Behörden setzen zudem auf digitale Systeme, die
Compliance-Prozesse überwachen und mögliche Beeinflussungen im Entscheidungsprozess sichtbar machen.

Die staatliche Anti-Korruptionskampagne hat aber nicht nur der Korruption den Kampf angesagt, sondern im Rahmen dessen auch Gesetzesänderungen verfügt, wonach der Strafenkatalog gestrafft und Unternehmen, inländisch wie ausländisch-investierte Unternehmen, verstärkt geprüft und überwacht werden dürfen und sollen. Hierbei hat die chinesische Regierung auch die Umsetzung von Compliance-Strukturen befürwortet und entsprechende gesetzliche Verpflichtungen erlassen. Neben freiwilligen internen Verhaltensregeln müssen Unternehmen nun auch staatliche Auflagen im Bereich Compliance erfüllen und deren Umsetzung dokumentieren.

Das Sozialpunktesystem, darunter auch das Unternehmenssozialpunktesystem, gehört zu den Eckpfeilern dieser Entwicklung. Geplant seit dem Jahr 2014, ist es seit Jahresbeginn 2021 aktiv und verknüpft Erkenntnisse und Daten zahlreicher Behörden, um Personen, Unternehmen und andere Organisationen für „gutes“ Verhalten zu belohnen und für „schlechtes“ Verhalten zu bestrafen. Hierbei werden lokale, provinziale und nationale Daten und Aufzeichnungen in zentrale Datenbanken integriert und auf Basis dessen ein Rating erstellt oder Punkte vergeben.

Aktuell befindet sich das Sozialpunktesystem zwar noch im Auf und Ausbau. Ausgesprochene Strafen und Sanktionen an Unternehmen sind jedoch bereits online and damit öffentlich einsehbar. Eine vollumfängliche Analyse findet jedoch bis dato (noch) nicht statt. Allerdings gab es Anfang 2022 eine Ergänzung, wonach Unternehmen in absehbarer Zeit in dynamische Risikoklassen ABCD eingeordnet werden sollen, um eine Klassifizierung zu erleichtern und schneller agieren zu können. Die vollstände Implementierung des Sozialpunktesystems einschließlich digitaler Überwachung ist also nur eine Frage der Zeit.

Daneben gelten – wie im deutschen – auch im chinesischen Recht allgemeine zivilrechtliche, verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Compliance-Pflichten, bei deren Verletzung Führungskräfte, Direktoren und gesetzliche Vertreter von Unternehmen in Haftung genommen werden können. So muss nach dem chinesischen Gesellschaftsrecht ein Mitglied der Unternehmensführung dem Unternehmen den Schaden ersetzen, der dem Unternehmen infolge der Verletzung der satzungsgemäßen oder gesetzlichen Verpflichtungen des jeweiligen Mitglieds der Unternehmensführung entsteht. Auch das chinesische Gesellschaftsrecht kennt das Prinzip des haftungseinschränkenden unternehmerischen Ermessens, wenn auch nur als richterrechtlicher Ausprägung und nicht gesetzlich verankert.

Darüber hinaus gibt es in China zahlreiche spezielle Vorgaben, nach den die Mitglieder der Geschäftsführung und andere Verantwortliche persönlich zur Verantwortung gezogen werden können. Die speziellen Haftungsgrundlagen finden sich in unterschiedlichen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften, wie z.B. dem Exportkontrollgesetz der VR China vom 1. Dezember 2020, dem Gesetz der VR China über die Sicherheit am Arbeitsplatz vom 1. September 2021, dem im August 2022 novellierten Antimonopolgesetz oder den neuen Gesetzen im Bereich Datenschutz und Daten- und Cybersicherheit.

Die wachsende Anzahl von Gesetzen vergrößern damit stetig die Compliance Anforderungen an die auf dem chinesischen Markt tätigen Unternehmen. Darüber hinaus gelten neben den mehr als 290 Gesetzen und tausenden von nationalen, regionalen und lokalen Verwaltungsvorschriften zahlreiche freiwillige, aber auch zwingende Industriestandards. Zwingende Industriestandards sind rechtlich verbindliche Normen deren Einhaltung durch die zuständigen Behörden streng überwacht wird. Zwingende Industriestandards fallen damit in die Compliance Anforderungen.

 

Digitale Compliance-Lösungen

Die wachsende Komplexität der rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Unternehmensführung führt dazu, dass Unternehmen einer starken Compliance-Kultur, einer vollumfänglichen Dokumentation und stetiger Aktualisierung der einschlägigen Gesetze, Verwaltungsvorschriften und zwingenden Industriestandards bedürfen, um schlechte Ratings, Strafen und Sanktionen zu verhindern oder zumindest das Eintrittsrisiko zu mindern.

Hinzu kommt, dass die chinesische Regierung solche Unternehmen, die nachweisbar frühzeitig Missstände intern adressieren und Gegenmaßnahmen einleiten oder allgemeine Unternehmensstandards einführen, um Prozesse transparent und nachvollziehbar zu gestalten, positiv einordnet und mitunter ein besseres Rating gibt oder geringere Strafen auferlegt.

 

Webbasierte Compliance Management Software

Hierzu schaffen erste digitale Compliance Lösungen für Unternehmen in China eine praktische Unterstützung. Die Prüfung einschlägiger Rechtsvorschriften, die revisionssichere Dokumentation und die transparente Aufgabendelegation an konkrete Mitarbeitende hilft Unternehmen, den Überblick zu wahren und auch im Austausch mit Behörden Compliance-konform zu handeln. Die steigenden Compliance-Anforderungen alle Unternehmen in China betreffen, verschaffen sich Unternehmen, die Compliance „leben“ und digital sicherstellen, einen großen Vorsprung vor deren Wettbewerbern und sind diesen einen Schritt voraus.

 

Hinweisgebersysteme und Ombudspersonen

Meldungen von Rechtsverstoßen durch unzufriedene Mitarbeitende, Wettbewerber und professional Shoppers an Behörden stellen eine weitere ernst zu nehmende Quelle von Compliance-Risiken in China dar. Zudem werden Hinweise auf Gesetzesverstöße im Rahmen mehrerer branchenspezifischer Vorschriften durch monetäre Belohnung staatlich gefördert. Dies führt zu erhöhten Compliance Risiken nicht nur für Unternehmen sondern auch für deren Geschäftsführung.

Unternehmensinterne Hinweisgebersysteme zur Meldung von Rechtsverstößen und anderen Missständen sind wirksame Compliance Instrumente, die zur Vermeidung oder Reduzierung von direkten Meldungen von Gesetzesverstößen an Behörden beitragen können. Unternehmensinterne Hinweisgebersysteme decken Kontrollmängel und Missstände frühzeitig auf und geben der Geschäftsführung Zeit und Gelegenheit, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, sich auf mögliche behördliche Kontrollen vorzubereiten sowie Reputations- und finanzielle Schäden zu vermeiden.

Als eine kosten-nutzen effiziente Lösung für kleine und mittelständische Unternehmen hat sich die Einführung eines elektronischen Hinweisgebersystems in Kombination mit der Beauftragung eines lokalen Ombudsanwalts bewährt. Lokale Ombudsanwälte können Hinweise durch das elektronische Hinweisgebersystem entnehmen und mit dem Hinweisgeber in lokaler Sprache und unter Beachtung lokaler kulturellen Besonderheiten kommunizieren. Sie sind mit dem Unternehmen aus ihrer rechtlichen Betreuungstätigkeit gut vertraut und können vor der rechtlichen Hinweisbewertung eine Sachverhaltsaufklärung unter Berücksichtigung des lokalen Rechts durchführen.

 

Fazit

In China operierende mittelständische Unternehmen sind aufgrund der zunehmenden Gesetzeskomplexität erhöhten Compliance Risiken und Anforderungen ausgesetzt. Angesichts der gesetzlichen Entwicklungen in China ist es für ausländisch-investierte Unternehmen und deren Muttergesellschaften im Ausland wichtig, den Überblick über die rechtlichen Vorgaben zu behalten, um unerwünschte Sanktionen und Haftung zu vermeiden, die nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Geschäftsführung persönlich betreffen können. Es empfiehlt sich daher Compliance-Risiken des Tochterunternehmens in China rechtzeitig zu analysieren, zu bewerten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dabei kann eine webbasierte Compliance Management Software sowie Hinweisgebersysteme in Ergänzung durch lokale Ombudspersonen von großer Hilfe sein.