Gehört ESG als Begriff nun schon der Vergangenheit an? Nachdem in den USA alles, was auch nur im Kontext mit ESG stehen könnte, einer Deregulierungswut zum Opfer fällt und auch in Europa die Ambitionen, mit denen die EU in den Green Deal gestartet ist, Stück für Stück wieder zurückgedreht wurden und werden (Omnibus-Paket), stellt sich die Frage, ob ESG tatsächlich nur eine Mischung aus ideologischem Ballast und bürokratischem Aufwand ist.
Auch wenn ESG-Regulierungen häufig für schwaches Wirtschaftswachstum verantwortlich gemacht werden, sollten wir uns dennoch fragen, ob die Motivationen und die Ideen, aus denen eine Vielzahl regulatorischer Ansätze entstanden ist, grundsätzlich falsch waren oder ob erst eine ausufernde Bürokratie und Dokumentationspflicht den eigentlichen Zweck überholt und ausgehöhlt haben.
Tatsächlich hat die ESG-Bewegung in den letzten Jahren einige Fehlentwicklungen erfahren. Die Fokussierung auf messbare Kriterien und standardisierte Ratings hat vielerorts zu einer inflationären Datenproduktion geführt – nicht selten zulasten der Substanz. Ratings, Checklisten, KPIs, Berichte, Audit-Pflichten – wer ESG sagte, meinte oft Excel und PowerPoint, aber selten Verantwortung für Menschen und Umwelt.
ESG stellt eigentlich die Klammer dar, der Inhalt besteht aus Wissen und Strategie, also wie man ein Unternehmen zukunftsfähig machen kann. Bevor ESG ein Akronym wurde, war es schon da, in jedem ernst zu nehmenden Unternehmen, in jedem Leitbild:
Weniger Etikett, kleinere Datenberge, dafür aber mehr Kultur und Haltung. Auch wenn die Deregulierung im ESG-Bereich im Hinblick auf die Zwecke der einzelnen Vorschriften Lücken hinterlassen wird, bieten sich dennoch einige Chancen, die gesammelten Daten zu nutzen und Nachhaltigkeit und damit Zukunftsfähigkeit auf freiwilliger Basis in die Unternehmens-DNA zu integrieren.
Am Beispiel des LkSG, dessen politische Zukunft bereits wieder diskutiert wird, lässt sich dies gut beobachten: Auch wenn der Aufwand, Daten zu sammeln, zu bewerten und entsprechende Konsequenzen zu ziehen, groß ist, bietet der Nutzen, strategisches Wissen über die Belastbarkeit von Lieferanten zu gewinnen, ein großes Plus für die Resilienz insbesondere produzierender Unternehmen. Denn die Belastungen der internationalen Lieferketten werden immer größer: Zölle, Kriege, Pandemien und Ressourcenmangel machen detailliertes Wissen über Lieferketten zur Grundlage strategischer Entscheidungen, auch wenn der ursprüngliche Zweck des Gesetzes, der Schutz von Menschenrechten und Umwelt, nicht direkt auf wirtschaftliche Resilienz und Zukunftsfähigkeit abzielt.
Der Abschied vom reinen ESG-Aktionismus bietet Ihnen die Chance, überflüssige Formalitäten abzubauen, ESG fest in Ihrer Organisation zu verankern und sicherzustellen, dass Ihr Unternehmen im Sinne von Mensch und Umwelt handelt. ESG ist also kein kurzfristiger Trend, sondern ein stabiles Fundament für langfristiges und verantwortungsvolles Wachstum.
Und wer heute noch fragt, ob man ESG überhaupt noch braucht, stellt womöglich die falsche Frage. Die richtige lautet: Wie können wir die Prinzipien von ESG endlich wieder zur gelebten Realität machen – jenseits von PowerPoint und Pflichttexten?